Nahe – und doch so fern
»Nur ein kleiner Fluss und viel Stacheldraht trennen uns von Nordkorea. Es fühlt sich surreal an, nur wenige Meter entfernt von einer ganz anderen Welt zu stehen. Von der chinesischen Grenzstadt, in der wir uns aufhalten, führen zwei Brücken ins Nachbarland. Beide sind abgeriegelt. Auf der nordkoreanischen Seite erblicken wir ein kleines Dorf. Ob diese Häuser bewohnt sind? Sie muten etwas verlassen an.
Grenze aus Eis
Zweieinhalb Fahrtstunden nordwärts bestaunen wir den majestätischen Paektu-Vulkan und steigen bis an den Kraterrand auf 2700 m ü. M. Paektu gilt als wichtiger und heiliger Berg, sowohl für China als auch für Nordkorea. Die Grenze zwischen den beiden Ländern führt direkt durch einen grossen Kratersee. Dieser wird Cheonji (»Himmelssee«) genannt, weil man glaubte, dass darin Himmel und Erde zusammenkommen. Der See ist bei unserem Besuch eine einzige Eisfläche. Weiter unten ergiesst sich ein Wasserfall ins Tal und der Dampf heisser Wasserquellen steigt in den Himmel.
Eine leise Hoffnung keimt
Eine heikle Region ist das Dreiländereck China-Russland-Nordkorea. Die Strasse entlang dem Grenzfluss zu Nordkorea ist beidseitig gesäumt von Stacheldraht und Überwachungskameras. Wir folgen ihr bis zu der Stelle, wo vor Corona die Rohstoffe für unsere Bäckereien eingeführt wurden. Gerade lassen vier Güterlastwagen die chinesischen Barrieren hinter sich und passieren die Grenze. Dies weckt die Hoffnung in uns, dass bald schon weitere Rohstoff-Importe durch unsere Partner möglich sein könnten. Es gibt Informationen, wonach die Grenzen in diesem Jahr nicht mehr geöffnet werden. Andere Stimmen sagen, dass russische Touristen und chinesische Studenten für den Besuch der Universitäten in Pjöngjang einreisen dürfen. Genau aber weiss es niemand.
Kinder lieben Jogurt
Seit April dieses Jahres können wir an drei Standorten in Nordkorea wieder Brötchen herstellen, aktuell 5000 pro Tag. Täglich produzieren wir auch 1100 Kilogramm Sojamilch, was ebenfalls 5000 Portionen entspricht. Aus letzterer wird teilweise Jogurt gemacht, weil einige Kitas und Kindergärten dies lieber mögen. Unsere Quellen berichten, dass die Kinder die Brötchen aber nicht sofort in der Schule essen. Sie bringen sie nach Hause und teilen sie mit der Familie.
Drüben in Nordkorea sehen wir Militär und Arbeiter auf den Feldern. Und einen Bahnhof, über dem eine Tafel mit grossen Lettern prangt: »Einem neuen Sieg entgegen.« Unsere Partner sind die einzige ausländische Organisation, die seit Schliessung der Grenzen in dieser Region noch aktiv ist. Die Mitarbeiter sind sehr dankbar, einen Lohn zu erhalten.«